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(Zur Übersicht: ThürDSG)

§ 30 Thüringer Datenschutzgesetz

1. Wortlaut

§ 30 Videoüberwachung

(1) Die Videobeobachtung oder -aufzeichnung mit Hilfe optisch-elektronischer Einrichtungen (Videoüberwachung) ist zulässig, wenn dies zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt

1. zum Schutz von Personen, die der überwachenden Stelle angehören oder sie aufsuchen, oder
2. zum Schutz von Sachen, die der zu überwachenden Stelle oder den Personen nach Nummer 1 gehören,

erforderlich ist. Es dürfen keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Person überwiegen.

(2) Der Umstand der Videoüberwachung und die Informationen nach Artikel 13 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnung (EU) 2016/679 sowie die Möglichkeit, beim Verantwortlichen die weiteren Informationen nach Artikel 13 der Verordnung (EU) 2016/679 zu erhalten, sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.

(3) Die Verarbeitung der nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn dies zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Person überwiegen.

(4) Für einen anderen Zweck dürfen nach Absatz 1 erhobene Daten nur verarbeitet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

(5) Videoaufzeichnungen und aus der Videoüberwachung erhobene Daten sind unverzüglich zu löschen. Sie sind nur dann abweichend von Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 nicht unverzüglich zu löschen, soweit sie zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung, zur Verfolgung von Straftaten oder zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen benötigt werden.

2. Gesetzentwurf der Landesregierung

Achtung Die Gesetzesbegründung bezieht sich auf einen im Gesetzgebungsverfahren noch geänderten Wortlaut der Norm. Gestrichen wurde in Abs. 1 der Satz 3 mit einer Hervorhebung der Schutzgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen. Folglich werden diese Schutzgüter auch in Abs. 3 nicht mehr erwähnt. In Absatz 5 wurde Satz 1 nachträglich eingefügt und der frühere Satz 1 als Satz 2 sprachlich an den neuen Satz 1 angepasst. Siehe im Übrigen Thüringer Landtag Drucksache 6/4943.

Zu § 30

Videoüberwachung


§ 30 regelt die Zulässigkeit und die Voraussetzungen der Videobeobachtung oder -aufzeichnung durch öffentliche Stellen.

Zu Absatz 1:
Absatz 1 regelt die Zulässigkeit der Videobeobachtung (Datenerhebung) und -aufzeichnung (Speicherung).
Die Verordnung (EU) 2016/679 regelt den Fall der Videoüberwachung nicht speziell, vielmehr handelt es sich um eine allgemeine Art der Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen nach Artikel 6 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679.
Die Beobachtung und Aufzeichnung ist nur zulässig, soweit sie zum Schutz von Personen bzw. des Eigentums oder des Besitzes an Sachen - diese Rechtsgüter stehen in einem so engen Zusammenhang, dass sie einen einheitlichen Zweck darstellen - erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ergibt sich aus dem Schutz der Rechtsgüter. Die in Absatz 1 Nr.1 und 2 genannten Rechtsgüter können nur soweit durch Videoüberwachung geschützt werden, als damit gleichzeitig auch eine Aufgabe im öffentlichen Interesse oder die Ausübung öffentlicher Gewalt verfolgt wird. Eine Aufgabe im öffentlichen Interesse stellt insbesondere auch die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit öffentlicher Stellen und ihrer Gebäude dar, also die Möglichkeit des ungestörten Benutzerverkehrs und der ungestörten Nutzung.
Zudem enthält Absatz 1 eine Definition der Videoüberwachung. Optisch-elektronische Einrichtungen sind alle Geräte, die Bilder übertragen und aufzeichnen. Der Begriff der Einrichtung erfordert dabei eine zumindest vorübergehende ortsgebundene Installation. Eine Speicherung ist ausdrücklich nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung. Ebenso ist nicht Voraussetzung, dass die erhobenen Daten einer bestimmten Person zugeordnet werden können.
Durch die ausdrückliche Normierung der Schutzgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit in Satz 3 wird diesen im Rahmen der Interessenabwägung ein besonderes Gewicht gegeben. Ein ergebnisoffener Abwägungsprozess hat gleichwohl auch weiterhin stattzufinden.
Ausdrückliches Ziel der Bestimmung ist die Erhöhung der Sicherheit in sämtlichen öffentlichen Stellen, (siehe dazu § 2). Insbesondere fallen darunter Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs - sofern diese dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterfallen - da dort aufgrund der hohen Frequentierung und Gefahrenanfälligkeit Sicher-heitsbelange von besonderer Bedeutung sind.

Zu Absatz 2:
Absatz 2 enthält eine spezifische Bestimmung zur Ausprägung des Transparenzgebots nach Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/679. Der Grundsatz der Transparenz setzt voraus, dass alle Informationen und Mitteilungen zur Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten leicht zugänglich und verständlich und in klarer und einfacher Sprache abgefasst sind. Allerdings müssen im Falle der Videoüberwachung nicht sämtliche Informationen unmittelbar zur Verfügung gestellt werden, sondern aus Praktikabilitätsgründen nur die in Artikel 13 Abs.1 Buchst. a bis c der Verordnung (EU) 2016/679 genannten. Es handelt sich dabei um Informationen zu dem Verantwortlichen sowie seinem Vertreter, die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten sowie die Zwecke, für welche die Daten verarbeitet werden sollen und die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung.
In dem Hinweis über die Videoüberwachung ist darüber hinaus ausdrücklich darauf hinzuweisen, wo die betroffenen Personen die weiteren Informationen nach Artikel 13 der Verordnung (EU) 2016/679 erhalten können. Mit dem Hinweis auf den Verantwortlichen ist die öffentliche Stelle gemeint, die selbst erhebt oder im Auftrag erheben lässt.

Zu Absatz 3:
Durch den Einsatz von Videoüberwachung erhobene Daten dürfen nur verarbeitet werden, wenn dies zum Erreichen des verfolgten Zwecks er-forderlich ist und unter Berücksichtigung des Schutzes von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen, die sich in der überwachenden Stelle aufhalten, keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige In-teressen der betroffenen Person überwiegen. Durch Absatz 3 sollen für die Videoüberwachung und die Verwendung der erhobenen Daten die gleichen Maßstäbe gelten. Als erhoben gelten Daten bei der Videoaufzeichnung, aber auch bei der zufälligen Informationswahrnehmung und unaufgeforderten Informationszuleitung. Die Regelung gilt unabhängig vom Personenbezug der erhobenen Daten. Absatz 3 entspricht der bisherigen Regelung in § 25a Abs. 3 ThürDSG a.F. Die Regelungsbefugnis zur Zweckbindung folgt aus Artikel 6 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679.

Zu Absatz 4:
Absatz 4 enthält eine von § 17 und Artikel 6 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2016/679 abweichende Regelung zur Zweckbindung. Eine über den Erhebungszweck hinausgehende Weiterverarbeitung zu anderen Zwecken ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Hierbei geht es insbesondere um die Übermittlung an die für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden. Ob eine Ordnungswidrigkeit erhebliche Bedeutung hat, ist eine Frage der Einzelfallabwägung und hängt ab von den Auswirkungen eines Verstoßes, dem Gewicht der beeinträchtigten Rechtsgüter, die Art und Höhe der Sanktion et cetera.
Die Regelung entspricht der bisherigen Bestimmung in § 25a Abs. 3 Satz 2 ThürDSG a.F.

Zu Absatz 5:
Videoaufzeichnungen und aus der Videoüberwachung erhobene personenbezogene Daten sind nach Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 unverzüglich zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn sie zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder zur Verfolgung von Straftaten oder zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen benötigt werden. Es handelt sich insofern um eine Ausnahme von Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679, welche durch Artikel 23 Abs. 1 Buchst. d, e und i der Verordnung (EU) 2016/679 gerechtfertigt ist.

(Quelle: Thüringer Landtag Drucksache 6/4943, S. 116)

3. Parallelvorschriften

3.1 Übersicht

Außer Ansatz bleiben grundsätzlich spezialgesetzliche Vorschriften.

Land Regelung zur Videoüberwachung Definition Videoüberwachung (Abs. 1) Beschränkung auf öffentliche Räume (entspr. § 20 Abs. 1 DSG NRW) Beschränkung auf konkrete Schutzzwecke Transparenz (Abs. 2) Zweck und Zweckänderung (Abs. 3, 4) - keine Berücksichtigung anderer Normen, z.B. § 17 Thüringer Datenschutzgesetz Speicherung Löschfrist Einbindung DSB Sonstiges Fundstelle Gesetzesbegründung
Baden-Württemberg § 18 LDSG BW Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Ja (Abs. 5) Ja (Abs. 5) Ja (Abs. 6)
Bayern Art. 24 BayDSG Ja(Abs. 1) Nein Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Ja (Abs. 4) Ja (Abs. 4) Ja (Abs. 5) Gesetzentwurf der Staatsregierung, S44
Berlin § 20 BlnDSG Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja aber sehr weit.(„Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen“, „Hausrecht“, Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3, 4) Nein Teilweise? (Abs. 4 S. 2) Nein Abs. 4 regelt Räume des öffentlichen Personennahverkehrs. Löschanspruch in Abs. 5.
Brandenburg § 28 BbgDSG Ja(Abs. 1) Ja(Überschrift) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Nein Nein Nein Nach Abs. 4 Pflicht zur Information einer identifizierten Person(mit Ausnahmen). Gesetzentwurf der Landesregierung S. 24, 55ff. (zu damals noch § 27)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales Keine inhaltlichen Ergänzungen, S. 43 (Zählung des PDF-Dokuments)
Bremen § 15 BremDSGVOAG Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Ja (Abs. 5) Ja („unverzüglich, Abs. 5) Nein Nach Abs. 4 Pflicht zur Information einer identifizierten Person(mit Ausnahmen).
Hamburg § 9 HmbDSG Ja(Abs. 1) Nein aber ausdrückliche Differenzierung nach öff. zugänglichen Bereichen(Abs. 1, S. 1) und nicht-öff. zugänglichen Bereichen (Abs. 1, S. 2) Ja aber sehr weit.(„Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen“, „Hausrecht“, Abs. 1) Ja(Abs. 3) Ja(Abs. 2) Ja (Abs. 2) Nein Nein Gesetzentwurf des Senats S. 22 f.
Hessen § 4 HDSIG Ja(Abs. 1) Ja. (Abs. 1) Ja aber sehr weit.(„Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen“, „Hausrecht“, Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Ja (Abs. 3) Nein(Bei Wegfall des Zwecks oder aufgrund schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person, Abs. 4) Nein
Mecklenburg-Vorpommern § 11 DSG M-V Ja(Abs. 1) Nein Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Zweckänderung (Abs. 3) Nein Nein Nein Die Gesetzesbegründung verfolgt ungewöhnliche Ansätze (keine Verarbeitung zur Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe sondern Verarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen) 1) Gesetzentwurf der Landesregierung S. 45 f.
Niedersachsen § 14 NDSG Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. Abs. 1, S. 3) Nein Nein Ja(Abs. 3) Gesetzentwurf der Landesregierung S. 52 ff.
Nordrhein-Westfalen § 20 DSG NRW Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Nein Ja („unverzüglich, Abs. 5) Nein
Rheinland-Pfalz § 21 LDSG RP Ja(Abs. 1) Nein Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Ja (Abs. 5) Ja (Abs. 5) Nicht ausdrücklich (bemerkenswerterweise nur für besonders eingriffsintensive Videoüberwachungen verlangt Abs. 6 eine DSFA) Nach Abs. 4 Pflicht zur Information einer identifizierten Person(mit Ausnahmen).
Nach Abs. 7 ausdrückliche Geltung der Absätze 1 und 2 auch für Attrappen.
Saarland § 25 SDSG Ja(Abs. 1) Nein Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Nein Ja („unverzüglich, Abs. 5) Ja (Abs. 6) Nach Abs. 4 Pflicht zur Information einer identifizierten Person(mit Ausnahmen). Gesetzentwurf der Regierung des Saarlandes S. 54 f.
Sachsen § 13 SächsDSDG Ja(Abs. 1) Ja(Überschrift) Ja aber sehr weit.(„Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen“, „Hausrecht“, Abs. 1) Ja(Abs. 3) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 4) Nein Gesetzentwurf der Staatsregierung S. 64 f.
Sachsen-Anhalt § 8 DSAG LSA Nein Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Nein Nein Nein Nach Abs. 4 ausdrückliche Geltung des Absätze 1 und 2 auch für Attrappen.
Gesetzesbegründung zu Absatz 1 mit merkwürdigem Bezug zu berechtigtem Interesse analog zu Mecklenburg-Vorpommern, s.o.
Gesetzentwurf Landesregierung S. 64 ff.
Schleswig-Holstein § 14 LDSG SH Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja aber sehr weit.(„Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen“, „Hausrecht“, Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Ja (Abs. 5) Ja („unverzüglich, Abs. 5) Nein Nach Abs. 4 Pflicht zur Information einer identifizierten Person(mit Ausnahmen).
Thüringen § 28 ThürDSG Ja(Abs. 1) Nein Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3, 4) Nein Ja („unverzüglich, Abs. 5) Nein Gesetzentwurf Landesregierung mit Begründung S. 116 f.
(Bund) § 4 BDSG Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 1) Ja(Abs. 2) Ja(Abs. 3) Nein Ja („unverzüglich, Abs. 5) Nein Nach Abs. 4 Pflicht zur Information einer identifizierten Person(mit Ausnahmen).
(Österreich) § 12 DSG Nein(Aber in Abs. 1 Definition der „Bildaufnahme“) Nein Ja(Abs. 2-4) Nein Nein Nein Nein Nein Gilt nur für Verarbeitungen „zu privaten Zwecken“. Daher keine Vergleichbarkeit.

4. Erläuterung

§ 30 regelt die Videoüberwachung im Geltungsbereich des Thüringer Datenschutzgesetzes. Grundsätzlich ist die Videoüberwachung einerseits ein sehr umstrittenes und hoch politisches Thema, so dass konkretisierende Regelungen zweckmäßig erscheinen aber andererseits muss beachtet werden, dass die DSGVO keine ausdrücklichen Regelungen und vor allem keine Öffnungsklauseln vorsieht, so dass jeweils nur die allgemeinen Öffnungsklauseln zu Anwendung kommen können.

4.1 Anwendungsbereich

§ 30 enthält in Absatz 1 eine Legaldefinition der Videoüberwachung als „die Videobeobachtung oder -aufzeichnung mit Hilfe optisch-elektronischer Einrichtungen“.

4.1.1 Sachlicher Anwendungsbereich

Die Legaldefinition lässt zumindest einen Aspekt in der Reichweite des Begriffs Videoüberwachung offen: Sind damit jegliche Aufnahmen bewegter Bilder mittels Videokamera (optisch-elektronische Einrichtung) erfasst? Das würde dann auch Aufzeichnungen für Dokumentarfilme (öffentliche Stelle als Verantwortlicher unterstellt) aber vor allem von Veranstaltungen, auch Lehrveranstaltungen, erfassen.

Hier spricht aber viel dafür, dass es sich nur um solche Aufnahmen handeln kann, die den Zweck verfolgen, einen normabweichendes Verhalten zu verhindern oder die betreffenden Personen zu ermitteln. Dafür spricht, dass als Zweck in Abs. 1 Nr. 1 und 2 jeweils „Schutz“ genannt ist, was freilich nicht überbewertet werden darf, weil aus den gestatteten Fällen der Videoüberwachung schlecht auf die Gesamtmenge der Videoüberwachungen geschlossen werden kann. Aber wenn alle deutschen Datenschutzgesetze (siehe oben) offensichtlich immer den Schutz von mehr oder weniger konkret benannten Gütern gegen von Normen abweichendes Verhalten bezwecken, dass muss ein induktiver Schluss zulässig sein. Andererseits darf der Zweck nicht so eng gefasst werden, dass ausdrücklich Straftaten erfasst werden, denn zum einen werden regelmäßig auch Ordnungswidrigkeiten regelmäßig mit erwähnt (vgl. auch Abs. 4) und selbst (deliktische) zivilrechtliche Ansprüche sollen eine Videoüberwachung rechtfertigen können.

Die Gesetzesbegründung schließt aus dem Begriff „Einrichtung“ in Abs. 1 zudem, dass es sich um eine ortsgebundene Einrichtung handeln muss, was für viele Filmaufnahmen eher untypisch ist allerdings beispielsweise bei (teil-)automatisiertem Livestreaming von (Lehr-)Veranstaltungen eher die Regel sein dürfte.

4.1.2 Räumlicher Anwendungsbereich - nicht öffentliche Räume

Die meisten Landesdatenschutzgesetze sehen mit leicht variierenden Formulierungen eine Beschränkung auf öffentlich zugängliche Räume vor, wobei Raum hier nicht im Sinne eines Zimmers in einem Gebäude sondern in einem weiteren Sinne zu verstehen ist 2) und auch Außenräume umfasst also zum Beispiel Straßen, Plätze, Zugangswege usw. Eine solche Beschränkung enthält das Thüringer Recht nicht. Daraus ergibt sich die Frage, was mit Räumen ist, die nicht öffentlich zugänglich sind.

Der Wortlaut spricht dafür, mangels einer ausdrücklichen Einschränkung von jeglichen Videoüberwachungen auszugehen. In der Gesetzesbegründung finden sich keine Hinweise für die eine oder andere Alternative.

Nach Sinn und Zweck der Norm erscheint es sinnvoll, einen so tiefgreifenden Datenschutzeingriff durch öffentliche Stellen(Anwendungsbereich des ThürDSG) konkreter zu regeln - erst recht, wenn diese Notwendigkeit durch den Gesetzgeber zumindest für einen Teil der Videoüberwachungen ausweislich der Existenz des § 30 ThürDSG gesehen wird. Ein Bedürfnis öffentliche Räume zu regeln und nicht-öffentliche Räume dagegen nicht zu regeln ist dagegen nicht ersichtlich. Auch die in Abs. 1 Nr. 1 und 2 genannten zulässigen Zwecke von Videoüberwachung weisen keine Spezifika hinsichtlich öffentlicher und nicht-öffentlicher Räume auf.

Allenfalls könnte argumentiert werden, dass nicht-öffentliche Räume eher weniger betroffene Personen aufweisen, was für einen schwächeren Datenschutzeingriff spräche. Allerdings werden sich in nicht-öffentlichen Räumen rechtmäßig typischerweise die gleichen Personen aufhalten, nämlich Beschäftigte der öffentlichen Stelle, die dann um so intensiver überwacht werden, so dass letztlich zwar eher weniger Personen betroffen sind aber diese dafür um so intensiver.

Beim Vergleich mit anderen Bundesländern mit insoweit vergleichbarer Formulierung ist zudem in der Kommentierung für Bayern festzustellen, dass Wilde et al ausdrücklich eine Anwendung auf nicht-öffentlich Räume in Abgrenzung zu § 4 BDSG bejahen.3). Implizit gilt gleiches auch für Rheinland-Pfalz, wo als Beispiel für Videoüberwachung unter anderem Kantinen und Schalterräume angeführt werden, die normalerweise nicht öffentlich zugänglich sind.4)

Nach alledem ist auch für § 30 ThürDSG davon auszugehen, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, wo die Videoüberwachung stattfindet.

1)
Gesetzentwurf der Landesregierung S. 45 f.:
Zu § 11
Zu Absatz 1
Die Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts, zum Schutz des Eigentums oder Besitzes sowie zur Kontrolle von Zugangsberechtigungen ist zulässig, wenn dies zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen erforderlich ist und stützt sich somit auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2016/679. Die Vorschrift richtet sich damit ausdrücklich nicht auf die von öffentlichen Stellen in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitungssituationen, sondern sichert vielmehr die eigenen Eigentumsverhältnisse öffentlicher Stellen. Weiterhin normiert Absatz 1 zu dem sich aus Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2016/679 unmittelbar ergebenden Grundsatz der Erforderlichkeit der Verarbeitung, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen dürfen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen entgegenstehen. Vom Begriff der Videoüberwachung umfasst sind Verfahren der reinen Beobachtung ebenso wie die Aufzeichnung beziehungsweise Speicherung der Überwachungsbilder. Der Begriff der Verarbeitung in Absatz 1 ist umfassend und bezieht sich auf alle Verarbeitungsschritte, die zur Erreichung des Zwecks der Videoüberwachung erforderlich sind. Absatz 1 enthält keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, wie zum Beispiel biometrischer Daten.
Gefahrenabwehrende Videoüberwachungsregelungen finden sich in § 32 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes.
2)
Vgl. in der Wikipedia Raum (Architektur).
3)
Vgl. Wilde et al: Datenschutz in Bayern, Art. 24 BayDSG, Rn. 8
4)
Vgl. Smolle in Kugelmann(Hrsg): Landesdatenschutzgesetz Rheinland-Pfalz, § 21 Rn. 44, 45.
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