Die Verarbeitung zum Schutz lebenswichtiger gem. Artikel 6 Abs. 1 UA 1 lit. d DSGVO erlaubt Verarbeitungen wenn sie erforderlich sind „um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen“ und führt zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung.
Die Norm ist ein Auffangtatbestand, was auch in Erwägungsgrund 46 S. 2 klargestellt wird. Im Normalfall wird vor allem öffentlichen Einrichtungen, die lebenswichtige Interessen schützen sollen, diese Aufgabe per Rechtsvorschrift, meist sogar formelles Gesetz zugewiesen, so dass der Normalfall die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe ist. Der Nutzen der Vorschrift wird daher durchaus bezweifelt.1)
Wenn andere Rechtsgrundlagen keine Verarbeitung gestatten, sind dennoch die Voraussetzungen der Norm streng zu prüfen - vor allem sind an das Tatbestandsmerkmal „lebenswichtige Interessen“ hohe Anforderungen zu stellen. Erwägungsgrund 46 S. 3 nennt beispielhaft „Überwachung von Epidemien und deren Ausbreitung oder in humanitären Notfällen insbesondere bei Naturkatastrophen oder vom Menschen verursachten Katastrophen“. Daraus ist zu schlussfolgern, dass Ziel der Verarbeitung zum Schutz lebenswichtiger Interessen tatsächlich der Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen sein muss.
Praktische Anwendungsfälle dürften sich folglich vor allem in Krisenlagen ergeben, die so nicht vorhergesehen wurden. Hier kann sich ein Spagat daraus ergeben, dass jeder einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz von Leben und (zumindest) körperlicher Unversehrtheit hat, allerdings Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und die Parallelvorschriften in den Landesverfassungen (zum Beispiel Art. 3 Abs. 1 S. 1 VerfTH) als - noch dazu schrankenlose - Grundrechte gerade das Gegenteil von Eingriffsnormen sind.
Anders als bei der Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe hat die betroffene Person bei der „Verarbeitung zum Schutz lebenswichtiger Interessen“ kein Widerspruchsrecht gemäß Artikel 21 DSGVO.